Berührung geht unter die Haut

Wissenschaftler haben eine neue Art sensorischer Nervenfasern in der Haut unseres Körpers entdeckt. Diese hochsensiblen Neuronen reagieren speziell auf langsame, sanfte Berührungen. Dieses sogenannte C-taktile System spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns, der Regulation des Immunsystems und der Entwicklung eines Selbstgefühls. [1][2].

Wenn meine 1-jährige Tochter weint, nehme ich sie in den Arm und streichle ihr intuitiv sanft über Kopf und Rücken. Sogleich wird ihr Atem ruhiger und ihr Körper entspannt sich. Was in dieser frühen Lebensphase für ein Babys grundlegend ist, gilt auch für die Entwicklung im Erwachsenenalter. Das Erkennen von sanften, langsamen und liebevollen Berührungen auf der Haut beruhigt nicht nur unser Nervensystem, sondern erhöht auch unser interozeptives Bewusstsein hin zu: Das ist mein Körper [3].

In Millisekunden erkennen Rezeptoren unter der Haut, welche Art Berührung wir empfangen. Das Gehirn erkennt dabei, ob es sich um Selbstberührung oder Berührung durch eine andere Person handelt [4]. Die Empfindsamkeit gegenüber der Selbstberührung wird in erster Linie von unserem Gehirn herunterreguliert, während die Empfindsamkeit auf zärtliche Berührung von anderen intensiviert wird [5]. Natürlich kann auch die Empfindsamkeit für Selbstberührung durch achtsames hineinspüren re-sensibilisiert werden. Jedoch ist die Dichte dieser Rezeptoren besonders ausgeprägt an Körperstellen, an denen wir uns selten selbst berühren, z.B. am Rücken und Nacken. Dies zeigt, wie der Mensch natürlicherweise in einem sozialen Umfeld eingebettet sein soll, in dem liebevolle Berührungen ausgetauscht werden, was zu einem Gefühl von Verbundenheit und Dazugehörigkeit beiträgt [5].

Die Areale im Gehirn, die für das Empfangen und Interpretieren von Berührungen zuständig sind, befinden sich im somatosensorischen Kortex des Parietallappens [6]. Diese Region arbeitet oft parallel mit anderen Sinnessystemen wie dem Sehen, Hören und Riechen, um multisensorische Integration zu ermöglichen. Hirnscans zeigen jedoch, dass keine dieser Sinneswahrnehmungen eine so beruhigende Wirkung auf das Nervensystem ausübt wie Berührungen [7]. Überwachungen von Hirnfrequenzen während einer entspannenden Massage zeigen häufig eine Verschiebung von Beta-Wellen (13 – 30 Hz) hin zu Alpha- (8 – 13 Hz) und Theta- (4 – 8 Hz) Wellen [7]. Durch die veränderte Schwingung im Zentralen Nervensystem verlangsamt sich der Atemrhythmus und die Herzratenvariabilität steigt, was einer erhöhten Vitalität und Kapazität zur Anpassungsfähigkeit an Umweltsituationen gleichkommt [8]. Vermehrt werden Endorphine und Oxytocin in den Kreislauf ausgeschüttet, was zur Erhellung der Stimmung und zu einem Gefühl von „Ich bin nicht allein, ich gehöre dazu“ beiträgt [9].

“In einer Tantramassage geben wir unserem Körper genügend Zeit damit sich die Sensibilisierung auf Berührung ganz entfalten kann. “

Berührungen zu empfangen ist also nicht nur eine angenehme Erfahrung, sondern ebenso wichtig wie der Sauerstoff, den wir atmen, für unsere mentale und physische Gehirnentwicklung. Wenn wir keine Berührungen erfahren, hat das negative Konsequenzen für die Art und Weise, wie unser Gehirn ein Selbstgefühl entwickelt und wie es Stress reguliert [3].

Viele dieser Sinneswahrnehmungen verlieren mit zunehmendem Alter an Sensibilität. Die Sehfähigkeit nimmt ab, das Gehör wird schwächer, der Geruchssinn ist nicht mehr wie früher. Anders ist es bei der Wahrnehmung und Verarbeitung von liebevollen Berührungen. Unsere Kuschelrezeptoren können wir trainieren um die Sensibilität auch im fortgeschrittenen Alter zurück zu gewinnen. Befragte ältere Menschen berichten, dass sie Berührungen bewusster geniessen und eine besonders grosse Wertschätzung und Dankbarkeit für liebevolle Berührungen empfinden [11]. Die Freude am Berührtwerden ist also etwas, was uns ein Leben lang begleitet. Die Tantramassage ist dabei eine wunderbare Art mit sich selbst in Berührung zu bleiben.

Referenzen:

  1. McGlone, F., Wessberg, J., & Olausson, H. (2014). Discriminative and affective touch: Sensing and feeling. Neuron, 82(4), 737-755.

  2. Löken, L. S., Wessberg, J., Morrison, I., McGlone, F., & Olausson, H. (2009). Coding of pleasant touch by unmyelinated afferents in humans. Nature Neuroscience, 12(5), 547-548.

  3. Field, T. (2014). Touch. MIT Press.

  4. Blakemore, S. J., Wolpert, D. M., & Frith, C. D. (2002). Central cancellation of self-produced tickle sensation. Nature Neuroscience, 1(7), 635-640.

  5. Morrison, I., Löken, L. S., & Olausson, H. (2010). The skin as a social organ. Experimental Brain Research, 204(3), 305-314.

  6. Bensmaia, S. J., & Hollins, M. (2003). The vibrations of texture. Somatosensory & Motor Research, 20(1), 33-43.

  7. Field, T. (2010). Touch for socioemotional and physical well-being: A review. Developmental Review, 30(4), 367-383.

  8. Triscoli, C., Croy, I., Steudte-Schmiedgen, S., Olausson, H., & Sailer, U. (2017). Touch between romantic partners: Being stroked is more pleasant than stroking and decelerates heart rate. Physiology & Behavior, 177, 169-175.

  9. Walker, S. C., Trotter, P. D., Swaney, W. T., Marshall, A., & McGlone, F. P. (2017). C-tactile afferents: Cutaneous mediators of oxytocin release during affiliative tactile interactions? Neuropeptides, 64, 27-38.

  10. Hertenstein, M. J., & Weiss, S. J. (2011). The handbook of touch: Neuroscience, behavioral, and health perspectives. Springer Publishing Company.

 

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